Erlösung

Johanna Roth, Die Zeit:

Unter dem Eindruck des Terrors steht, zwangsläufig, auch jener Akt selbst, durch den der 46. Präsident ins Amt eingeführt werden soll. Was in den vergangenen Jahrzehnten eine Art demokratische Krönungsmesse war, wird für das liberale Amerika nun zur Teufelsaustreibung – mit Joe Biden als Exorzisten und Heilsbringer zugleich.

Übertriebene Metaphorik? Kaum. Es fällt derzeit nicht schwer, sich die USA als ein Land vorzustellen, das auf nichts weniger hofft als Erlösung. Erlösung zwar nach einem weltlichen Verständnis, aber doch von einer Seuche biblischen Ausmaßes, die das tägliche Leben beherrscht und Tausende Menschen dahinrafft, Erlösung von einem willkürlichen Tyrannen, der das Land gepackt hat und die Macht nicht hergeben will.

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Aber Donald Trump ist keine Ursache, sondern ein Symptom. Symptom einer Gesellschaft, in der viele noch immer nicht akzeptieren wollen, dass dieses Land, seine Macht und sein Wohlstand allen gehören, die darin leben.

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America United, so lautet das offizielle Motto der Amtseinführung 2021. Einigkeit ist nicht erst seit Joe Biden das große Sehnsuchts­versprechen der Wahlkämpfe in den USA. Nie schien Einigkeit ferner als jetzt. Es geht nicht länger nur um Fortschritt, es geht ums Existenzielle – um Versöhnung, auch von Heilung hat Biden in den vergangenen Monaten gesprochen.

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