Zu den ärgerlichen Begleitschäden, die Donald Trumps Präsidentschaft der Nachwelt hinterlässt, zählt die unvermeidliche Selbstgerechtigkeit seiner Kritiker. Ein derart schamloser Mensch setzt jeden und jede, der oder die sich einen Funken Anstand bewahrt hat, zwangsläufig ins Recht; zugleich macht er die Anwälte der liberalen Kultur denkfaul und erspart ihnen die Frage, wer das Feld bestellt hat, auf dem Trump ernten konnte.
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Beunruhigender ist eine Sicht auf Trump, die ihn nicht als Ausreißer, als rätselhaften Zwischenfall betrachtet, sondern als Symptom einer unbegriffenen Krise. Oder mit einem Wort von Henry Kissinger: als „eine jener historischen Gestalten, die von Zeit zu Zeit erscheinen, um das Ende einer Ära einzuläuten und sie zu zwingen, ihre alten Schutzbehauptungen aufzugeben“.
„I think Trump may be one of those figures in history who appears from time to time to mark the end of an era and to force it to give up its old pretenses. It doesn’t necessarily mean that he knows this, or that he is considering any great alternative. It could just be an accident.“
Tatsächlich erhielt Trump nach derzeitigem Stand der Auszählung bei dieser Wahl mindestens acht Millionen Stimmen mehr als 2016 und wäre beinahe zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt geworden. Doch was machte sein ursprüngliches Erscheinen möglich? Und wie zerrüttet muss eine Gesellschaft sein, um einer solchen Figur zur Macht zu verhelfen? Hatte sie den Typ Trump bereits erwartet?
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Im Gegensatz zu heutigen Systemtheoretikern besaß Simmel ein feines Gespür für die Dialektik der Befreiung. In der kapitalistischen Gesellschaft, so fürchtete er, gehen die Zirkulation des Geldes und die Bewegung des Lebens bruchlos ineinander über. Aus dieser Verschmelzung entstehe ein neuer Sozialcharakter, gerissen und gierig, ebenso geizig wie verschwendungssüchtig, extrem „selbstisch“ und ohne jede Rücksicht „ethischer Art“. In Simmels Augen war dieser Zyniker wie geschaffen für die „Menschheitstragödie der Konkurrenz“ mit ihrer „Wüstheit und Erbitterung“, denn selbst seine innersten Gefühle investiert er ins Geld.
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Vier Jahre nach Simmels Meisterwerk erschien Max Webers Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Auch Webers Gedanken kreisen um den Sozialcharakter der Zukunft, um jenen kalten, geistlosen Menschentyp, der auftritt, sobald der Kapitalismus die alteuropäische Tradition abgestreift und sich ohne Rest in eine kapitalistische Kultur verwandelt hat. Markt und Bürokratie bilden nun ein „stahlhartes Gehäuse“, aus dem der alte Geist gewichen ist – der „siegreiche Kapitalismus jedenfalls bedarf dieser Stütze nicht mehr (…). Auf dem Gebiet seiner höchsten Entfesselung, in den Vereinigten Staaten, neigt das seines religiös-ethischen Sinnes entkleidete Erwerbsstreben heute dazu, sich mit rein agonalen Leidenschaften zu assoziieren.“
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Doch die zornpolitische Polarisierung in den culture wars war nur ein willkommener Nebeneffekt – der arkane Code seiner Politik war ein anderer, und auch hier führen die Spuren 100 Jahre zurück, zu den konservativen Intellektuellen der Zwanzigerjahre. Denn mit welchen politischen Rezepten antworteten sie auf Simmels Zeitdiagnose? Wie reagierten sie auf Webers Behauptung, der Kapitalismus sei ein stahlhartes Gehäuse, dem niemand entkommen könne?
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Der Mensch, so Ernst Jünger, sei nun einmal ein Bildertier. Er hungert nicht, wie die Linke glaubt, nach Gerechtigkeit. Er hungert nach mythischem Stoff.
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Hannah Arendt hatte schon recht. „Die idealen Untertanen sind Menschen, für die die Unterscheidung zwischen Fakten und Fiktionen und zwischen wahr und falsch nicht mehr existiert.“
Much of Assheuer’s essay explains Trump as developing from 20th Century capitalism, however a variation applies of course to other political actors, to the phenomena of brand loyalty, feverish addiction to television shows. He is describing people freed from responsibility via their allegiance to image.
Kampf ist die Metaphysik des Kapitalismus. Trumps höhnisches „You‘re fired“ verwandelte den Vorrat an Demütigungen, die die Konkurrenzgesellschaft für den Einzelnen zuverlässig bereithält, in schrilles Entertainment, in ein alternativloses Spiel des Schicksals. Up and down geht die Wiege des Lebens, und wie an der Börse gibt es darin Aufstieg und Fall, Glück und Unglück sowie die Genugtuung über den Absturz der anderen. Wer von einer Welt träumt, in der sich Gerechtigkeit nicht auf Marktgerechtigkeit reimt, der ist ein Sozialist, und „Sozialisten“ wie Joe Biden nehmen dem amerikanischen Bürger bekanntlich die Waffen weg, ohne die sie im gottgewollten Überlebenskampf untergehen.
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Es waren übrigens Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, die in dieser Bewusstseinssteuerung das gefährliche Potenzial der westlichen Massenkultur erkannten, eine realistische Möglichkeit, um die freiwillige Unterwerfung der Bürger unter die Verhältnisse zu erzwingen, die lückenlose Vergesellschaftung des Subjekts. Der Einzelne solle sich „mit dem Gebotenen abfinden“ und freudig sein Fatum begrüßen: Die „Kulturindustrie bietet denselben Alltag wieder an“, alles soll „zum Ausgangspunkt zurückführen. Das Vergnügen befördert die Resignation, die sich in ihm vergessen will“.
Assheuer is uneven. He namedrops Simmel, Weber, Arendt, Adorno, Horkheimer in describing the Trump era, which he I think very correctly connects with the previous century and a half of American capitalism, however he concludes by saying responsibility for the 21st Century rise of China lies with Trump, rather than with the societal forces which he had been previously describing as resulting in Trump’s presidency.